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Projekt - Offener Brief vom 18.04.2022 zur Diskussion um Adolf Holst

Offener Brief zur Diskussion über Adolf Holst im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Wahrnehmung durch Einzelpersonen und Gruppen

Sehr geehrte Frau Birkenhagen, sehr geehrte Mitglieder der Schulleitung der Sekundarschule „Adolf Holst“,

sehr geehrte Pädagoginnen und Pädagogen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Bildungseinrichtung,

sehr geehrte Frau Hellwig,

der Heimatverein des Ortsteils Branderoda / Stadt Mücheln wendet sich an Sie, um ein Miteinander bezüglich der Diskussion über den Schulnamen „Adolf Holst“ zu finden.

Es bringt nicht viel, verhärtete Standpunkte immer wieder von Neuem darzulegen.

Wer Genaueres über Adolf Holst wissen möchte, findet dazu in einschlägiger Literatur und im Internet sehr viele Quellen.

Dass eine Müchelner Schule vor ca. 90 Jahren den Namen „Adolf Holst“ verliehen bekam, erfüllte im Laufe dieser langen Zeit viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt Mücheln mit Stolz. Jedes Jahr verließen Absolventen diese Schule und freuten sich, wenn auch die Kinder und Kindeskinder von „ihrer“ Adolf-Holst-Schule sprachen.

Allgemein ist bekannt, dass man sich bis vor kurzem sehr wenig mit der Biographie des Literaten beschäftigte. „In der Kinderlyrik- und Bilderbuchforschung wird … seit Jahren angemahnt, dass die historische Analyse von Holsts kinderliterarischem Werk erst am Anfang steht“ „… vor allem existiert keine ausreichende Monographie.“ – Zitate: Dr. Sebastian Schmideler und Prof. Kurt Franz - in „Adolf Holst – Bilderbücher-Reimgeschichten“, S. 316

Wir und Sie wissen:

     - Adolf Holst lebte, außer in seiner Hauptschaffenszeit 1918-1933, in keiner Demokratie.

     - Wie die meisten seiner Zeit, entzog er sich nicht gewisser politischer Gegebenheiten und Einflüsse.

     - Er war Mitglied der NSDAP, ohne sich darin besonders hervorzutun.

     - In nur sehr wenigen seiner Werke folgte er dem Zeitgeist, wie es die Mehrheit, Millionen andere auch taten.

1. Fazit:         

     - Seine weiße Weste hat leider einige Flecken, sie sollen nicht übersehen werden und im Kontext

       seiner Zeit und aus der Sichtweise der Gegenwart zu jeder Zeit benannt werden.

Wir und Sie wissen aber auch:

     - In unserem Ort Branderoda kam ein Mensch zur Welt, der ein sehr großes Herz für die Kinder hatte.

     - Er war einer der bekanntesten deutschsprachigen Literaten der Kinderliteratur seiner Zeit.

     - In über 200 literarischen Werken verschiedener Genres erfreute er Groß und Klein.

     - Viele seiner Texte regen zum Nachdenken an und vermitteln auf liebevolle Art Lebensweisheiten.

     - Seine Werke, z.T. herrlich illustriert, werden weiter Bestand in der Öffentlichkeit haben.
        Sie sind Bestandteil unserer wunderbaren Literaturkultur.

2. Fazit:

     - Das Gute im Menschen zu finden und aufzuzeigen, das war sicherlich ein Anliegen des Erziehers Adolf Holst.

     - Es bedarf schon einer gewissen Courage, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, wenn man der festen
       Überzeugung ist, dass das Gute im Wirken einen Menschen im Vordergrund gesehen werden sollte.

     - Pädagoginnen und Pädagogen stehen für Toleranz ein. Ohne diese können sie nicht wirklich
       aus vollem Herzen in ihrem Beruf aufgehen.

     - Betrachtungen in Form von subjektiven Gutachten nehmen wir zur Kenntnis.

       Man kann sich hinter diese stellen und muss keine eigene Haltung zeigen.

In diesem Sinne appellieren wir an alle Beteiligten dieser Diskussion:

Mit gutem Willen, Toleranz und vielleicht auch mit einem Kompromiss beenden wir dieses Schreiben und

würden uns sehr freuen, wenn wir ins Gespräch kommen und es danach beherzt heißt:

Die Sekundarschule Mücheln möchte den Namen „Adolf Holst“ vorerst nicht hergeben.

Klaus Popko

Heimatverein Branderoda e.V.

Branderoda, 18.04.2022

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Anlage 1 – zum offenen Brief vom 18.04.2022

Zitate aus den Expertisen einiger Autoren, Wissenschaftler aus dem Buch „Adolf Holst – Bilderbücher-Reimgeschichten“ herausgegeben von Dr. Stefan Brüdermann und Dr. Sebastian Schmideler

Das Buch möge „… weiterführende Forschungen bewirken“ – S. 8

S. 335 von Dr. Schmideler - Zitat: „Den Bilderbuchreferenten des NS-Lehrerbundes wie Rudolf Kreßner schwebten das Hochbild eines neuen völkischen Bilderbuches, eines deutschen Bilderbuches vor; es sollte als Teil einer artgemäßen Volkskunde explizit rassisch gedeutet werden. Holst war dabei … Repräsentant des Feindbilds. … Das Ideal eines NS-Bilderbuchs verfolgte andere Ziele. Sie standen in größter Differenz zu der Saisonware von Holst.“

Prof. Dr. Friedhelm Brusniak (seit 2004 erster Inhaber des Lehrstuhls für Musikpädagogik und Didaktik der Musikerziehung an der Universität Würzburg) ist in seinem Beitrag im Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten“ – „… der Frage nach gegangen, ob sich Adolf Holsts Badelied und die drei Melodiefassungen für den Einsatz im fächerverbindenden und fächerübergreifenden Unterricht eignen könnten.“ Siehe Zitat, S. 285
Weitere bemerkenswerte Äußerungen von Prof. Brusniak - „… nicht nur aus musikhistorischer, sondern auch aus musikdidaktischer Sichte … ein willkommenes Quellen- und Unterrichtsmaterial, bei dem zu prüfen wäre, ob es … auch am Anfang des 21. Jahrhunderts noch über grundsätzliche musikalische und kompositorische Aspekte hinaus zur Diskussion über ästhetische Fragen anzuregen vermag.“ – Zitat S. 300 aus dem Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten

Prof. Dr. Dr. Kurt Franz (Universität Regensburg, Didaktik der deutschen Sprache und Literatur, ausgewiesener Kenner der Kinderlyrik und der Märchen) in seinem Beitrag im Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten“ – „Für mich ist Adolf Holst – bei aller Kritik, die man einbringen kann – einer der großen Namen in der Entwicklung der deutschen Kinderlyrik. Er verstand es wie wenige andere, gerade für kleinere Kinder zu dichten und sie unmittelbar anzusprechen, „die Phantasie und Traumwelt der Kinder in unvergleichlicher Weise zu beflügeln“, wie es Karl Blaume einmal treffend formuliert hat.“ – Zitat siehe S. 196 aus dem Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten

„Diese … angesprochene emotionale Seite in Holsts Werk spricht romantisch-idyllische Gefühle an. Diese ermutigen immer wieder zur Auseinandersetzung mit Adolf Holst. Es geht dabei nicht um Heldenverehrung, sondern um kritische Aneignung, damit wir selbst wissen, dass wir uns zu menschenwürdigen Idealen bekennen können. Bloch fordert ein demokratisches Miteinander in Wahrhaftigkeit. Diese Bewegung kann bei dem Bewahrer Holst beginnen.“ – Zitat Dr. Pöge-Alder - S.331 aus dem Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten“

Anmerkungen, Fragen: Ebenso wie vieles andere auch ist bisher noch nicht genauer erforscht welche Zusammenhänge zwischen dem Schaffensende Adolf Holsts als "Kalendermann" im Jahre 1934 mit der Vereinigung von "Auerbachs Deutscher Kinder-Kalender" und "Meidingers Kinder-Kalender" im Jahr 1934 bestehen. – Könnten die zwei Adolf Holst belastenden Kalenderausgaben (1934 und 1935) von „Auerbachs Deutscher Kinder-Kalender“ das Produkt dieser Umwälzungen bei der Kalender-Vereinigung gewesen sein, ein Produkt, entstanden unter dem Druck der Gleichschaltungsgesetze (März und April 1933), dem Vergnügungssteuergesetz (Juni 1933) und dem Schriftleitergesetz (Okt. 1933) sowie anderer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und gruppenpsychologischer Prozesse im Nationalsozialismus? Wenn die anfängliche Entwicklung die Auerbachs Kinder-Kalender im Nationalsozialismus nahm im Sinne von Adolf Holst war, warum sollte er dann freiwillig auf diese regelmäßige Einnahmequelle verzichten? Wenn das Ende seiner Herausgeberschaft eine Reaktion des Verlages vor allem auf den 1935er Kalender gewesen sein sollte, warum verabschiedete sich Adolf Holst bereits 1934 in seinem letzten herausgegebenen Kalender für das Jahr 1935?

„Carola Pohlmann lässt es in ihrer Einschätzung offen, ob Holst „diese Hinwendung zum Nationalsozialismus aus innerer Überzeugung vollzogen hat, aus Opportunismus oder gar um den Kinderkalender vor einem drohenden Verbot […] zu bewahren“ Zitat Dr. Schmideler - S.331 aus dem Buch „Adolf Holst – Bilderbücher – Reimgeschichten“

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Anlage 2 – zum offenen Brief vom 18.04.2022

"Die Mär vom schlimmen Jokkeli" von Adolf Holst, eine Seite aus dem Buch "Mein Lachbül" von 1935.

1. Würde ein rassistisch-nationalsozialistischer, menschenverachtender Schriftsteller (als der Adolf Holst von einiger Personen dargestellt wird) derartige Zeilen schreiben?

2. Würde ein solcher zutiefst überzeugter nationalsozialistischer Schriftsteller die Kinder so unterschiedlicher Herkunft in einer Geschichte, wie es scheint bereits in längerer Freundschaft, friedlich zusammenspielen lassen und als unzertrennlich beschreiben oder zeigen sich hier, wie in fast allen bzw. in der deutlichen Mehrzahl seiner Werke, sogar humanistische Anteile von Adolf Holst?

Die Mär vom schlimmen Jokkeli

Adolf Holst

Die Lilly und die Burubu

Sieht man beisammen immerzu,

die Lilly rosig-weiß zu schau´n,

die Burubu schock´laden-braun,

die Lilly fein mit Kleidchen kurz,

die Burubu mit Lendenschurz,

das Farmer- und das Inderkind,

die trotzdem unzertrennlich sind.

Mit Ball und Püppchen spielen sie,

voll Neugier sieht´s der Jokkeli,

erst kratzt er sich und grinst sodann:

„Das schau´ ich mir mal näher an!“

Die Lilly denkt verstört: „Nanu?!“

Am Daumen lutscht die Burubu,

das Püppchen schüttelt sich vor Graus,

und schließlich reißen alle aus.

Der Ball entrollt, so laufen sie!

Den Ball erwischt der Jokkeli,

er dreht ihn hin, er dreht ihn her

und meint, daß er zu essen wär´,

     er beißt und beißt,

     der Ball zerreißt

     nach vieler Müh´ -

„Ne feine Mütz´!“ grinst Jokkeli.

Vom Ball ist nun nichts mehr zu sehn.

O Jokkeli, das war nicht schön!

 .......

3. Wenn Adolf Holst so unbedeutend und miserabel war, wie er von manchen dargestellt wird – warum haben dann mindestens 37 Komponisten seine Texte vertont? Warum haben mindestens 55 Illustratoren mit Ihm zusammengearbeitet?