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Holst im Nationalsozialismus

(Klaus Popko; Heimatverein Branderoda e.V.)

Zukunft braucht Erinnerung!

Für eine umfassende wissenschaftliche Begutachtung und Einordnung zum Leben und Werk von Adolf Holst im Nationalsozialismus sind noch viele Fragen offen. Für deren Beantwortung bedarf es weiterer wissenschaftlicher Recherchen, die weit über den bisherigen Rahmen hinausgehen sollten.

Wie können die zeitgeschichtlich-komplexen Zusammenhänge um das Leben und Werk von Adolf Holst und um die damalige Zeit verständlich und nachvollziehbar vermittelt werden?

 Wie kann eine differenzierte Betrachtungsweise zum Leben und Werk von Adolf Holst und speziell zu seiner Zeit im Nationalsozialismus gefördert werden, ohne in eine Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen?

 Nach den ersten Veröffentlichungen und Hinweisen, durch den Heimatverein Branderoda e.V., zum Thema Adolf Holst im Nationalsozialismus, im Buch "Adolf Holst - Kindheits in Branderoda" (2015), brachte die Schulleitung der Ganztagsschule "Adolf Holst", mit dem Schulleiterwechsel (September 2016) ab Februar 2017 ihr Vermeidungs- und Verdrängungsverhalten zum Thema Adolf Holst sehr deutlich zum Ausdruck.
(keine Teilnahme eines einzigen Vertreters der Schulleitung am 1. wissenschaftlichen Adolf-Holst-Kolloquium in Bückeburg März 2017, keine Teilnahmer der Schulleitung an sonstigen Ausstellungen und sonstigen Veranstaltungen zum Thema Adolf Holst, mehrjährige Kontaktverweigerung zum Heimatverein und Ortschaftsrat von Branderoda)
- Das legt die Vermutung nahe - seit 2017 orientiere sich die Schulleitung auf eine Umbenennung der Ganztagsschule „Adolf-Holst“ in Mücheln, ohne internsive und differenzierte Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem bisherigen Namengeber der Schule.

Nachweislich mindestens seit April 2022 ist die Adolf-Holst-Traditionsecke in der Schule Vergangenheit. Damit verschwanden auch alle Originalexponate, die Cordula Holst der Adolf-Holst-Schule am Anfang der 1990-er Jahre übergab.

Der Landkreis Saalekreis zur öffentlichen Schulnamendiskussion (seit Januar 2022) - siehe Ausschuss für Bildung, Protokoll der Sitzung am 13.06.2022, Seite 7
Zitat:   es besteht „…kein Grund, der Schule sofort den Namen zu entziehen. ….Wir geben das an die Schule zur intensiven Diskussion zwischen Schule und Heimatvereinen … Alle Ausschussmitglieder sind mit diesem Vorgehen einverstanden.“

Selbst noch nach diesem Beschluss verweigerte sich die Schulleitung bis April 2023 allen Kontaktversuchen von Heimatverein und Ortschaftsrat. Somit wurde nachweislich über 6 Jahre das komplexe Thema Adolf Holst von der Schulleitung verdrängt und vermieden.
Kann ein derartiges Verhalten als eine couragierte und aktive Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Namensgeber bezeichnet werden oder zeigt sich hier ein eher ängstliches Vermeidungs- und Verdrängungsverhalten?
Wie lange ist die derzeitige Schulleitung im Amt? - Antwort: über 6 Jahre.

Die aktuell nur negativ-polarisierende Aussagen der Schulleitung zu Adolf Holst und seinem Werk werden couragiert als Manipulationsversuche abgelehnt. 

Die Äußerung einer einzigen Person "Holst verfasste mehrere hundert Seiten NS-Propaganda", die seit 2016 immer wieder sehr massiv in die Diskussion um den Namen der Adolf-Holst-Schule eingebracht wurde, konnten bisher weder von dieser Person selbst als auch nicht durch den Heimatverein Branderoda e.V. sowie durch die zahlreichen Recherchen der verschiedensten Wissenschaftler belegt werden.

Aus diesem Grund lehnt der Heimatverein Branderoda e.V. diese nicht belegte Äußerung zum aktuellen Zeitpunkt couragiert ab und beteiligt sich aktiv an der Aufarbeitung offener Fragen u.a. im Rahmen eines Adolf Holst Netzwerks.

 

Was Holst aus der heutigen, aktuellen Perspektive belastet, sind seine NSDAP-Mitgliedschaft und vereinzelte Verse im Nationalsozialismus, die im krassen und irritierenden Widerspruch zu seinen restlichen Arbeiten stehen und bei denen der genauere Entstehungskontext noch genauer zu untersuchen ist. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass diese nationalsozialistisch bejahenden und heute Holst und sein Werk belastenden Jubel-Verszeilen, in einer Zeit der nationalen Aufbruchstimmung entstanden. In dieser Zeit waren die darauffolgenden Entwicklungen in der NS-Zeit für die Masse der Bevölkerung und damit wahrscheinlich auch für Adolf Holst kaum vorhersehbar.

 

Kritisch zu betrachtende und noch genauer zu untersuchende Punkte zu Holst und seinem Werk in der NS-Zeit:

1. Punkt - Herausgeber für die Jahre 1934 und 1935 von Auerbachs Kinderkalender
Gegründet durch Dr. Auerbach, erschienen die beliebten Periodika einmal im Jahr bis in die 1960er Jahre. Darin wurden Geschichten, Gedichte, Rätsel, Lieder und Spiele veröffentlicht.
Von 1918 bis 1934 war Adolf Holst, vor allem über die gesamte Zeit der Weimarer Republik, der Herausgeber dieses Kalenders. Er pflegte einen intensiven Briefkontakt zu seinen Lesern, den "Kalenderkindern". In der mehrseitigen Plauderecke ging er auf die Briefe und Fragen der „Kalenderkinder“ ein.

„Mit der Plauderecke und der Briefwechselliste war der Auerbach Kinderkalender „eine Vorform von Facebook.“ Zitat: Carola Pohlmann zum 1.Adolf Holst Kolloquium 2017 in Bückeburg

In der Zeit der Nationalsozialisten wurde Auerbachs Kinderkalender, wie andere Zeitschriften und Zeitungen für die nationalsozialistische Propaganda benutzt und deren Ideologien angepasst- siehe brauner Einband, Bild des Führers, Adolf Hitler, mit Kind im Einband und vierzeiligem Vers von Adolf Holst dazu.

Dazu beachte man andere inhaltliche Beiträge, die verhältnismäßige Aufteilung der Beiträge Holsts zu den gesamten Beiträgen  sowie die verhältnismäßige Aufteilung der als „nationalsozialistisch“ einzuordnenden und der politisch als neutral einzuordnenden Beiträge aller Autoren im Kalender.

Könnten diese Holst belastenden Zeilen und diese Holst zur Last gelegte Layoutänderung auch auf Grund einer stark veränderten Machtstruktur im Verlag entstanden sein, wie es für die Jahre 1933 und 1934 in anderen Verlagen und für andere Druckerzeugnisse belegt ist?

Könnten eine solche stark veränderte Machtstruktur im Verlag und die anfängliche von Goebbels verfolgte Medienstrategie der massiven und direkten nationalsozialistischen Propaganda für diese Zeilen Holts ursächlich gewesen sein?

Bekanntlich wurde, nach anfänglicher Ignoranz von Goebbels und den darauffolgenden zahlreichen Beschwerden, später dem Unterhaltungsbedürfnis der Medienkonsumenten wieder mehr Rechnung getragen. Worauf sich wiederum der Ton in manchen Medienproduktionen änderte. Nach der anfänglichen direkten massiven Propaganda in fast allen Medien folgte später in verschiedenen Medien die Strategie der unterschwelligen Agitation bzw. keiner Agitation und keiner Propaganda mehr. - siehe und vergleiche Gleichschaltung der Medien und die wechselnden Medienstrategien in der anfänglichen NS-Zeit (1933 und 1934) – Literaturpolitik im beginnenden Nationalsozialismus)

Könnten diese "Jubelzeilen" von Holst und die Layoutänderung des Kalenders für das Jahr 1935 vielleicht eine Art Zugeständnis von Holst an den Verlag gewesen sein, der für seine Produktion auf Grund vom Vergnügungssteuergesetzt (Juni 1933) Steuervorteile für „staatspolitisch wertvolle“ Produktionen erhalten wollte?

War Holst ab dem Zeitpunkt der Kalenderbearbeitung für das Jahr 1934, also im Herbst / Winter 1933, als Herausgeber per Schriftleitergesetz (Okt. 1933) in der Funktion eines Hauptschriftleiters und somit persönlich haftbar für die Einhaltung des politischen korrekten Kurses in den Kalenderausgaben?

 

2. Punkt - 1937 Kinderatlas, Vers zu Berlin

Mindestens ab dem Jahr 1936 war Adolf Holst über die negativ kritische Einstellung der NS-Genehmigungsstellen und NS-Gutachter zu seinen Werken durch nachweislich mindestens ein Aufführungsverbot informiert. (Verleger Arwed Strauch an Holst - siehe Niedersächsisches Landesarchiv Bückeburg - NLA BU D19, Nr. 442)

Im darauffolgenden Jahr 1937 erschien ein Kinderatlas mit Versen von Adolf Holst, bei dem das Kartenbild durch landestypische Sehenswürdigkeiten und Kindergruppen in landestypischen Trachten ergänzt ist.

 Zu Berlin dichtet Holst:
"Stahlhelme funkeln Blitz auf Blitz,
die `Linden' mit dem Alten Fritz!
Vorm Hitler-Haus die Massen steh'n:
`Wir wollen unsern Führer seh'n!‘“.

Nach einem ersten Schock über diese Verszeilen mag jeder noch einmal mit etwas emotionalem Abstand mit sachlich analytischem Blick darüber schauen und sich dabei verdeutlichen in welcher Zeit Adolf Holst lebte.

Warum lies Holst in diesen Verszeilen das damals aktuelle Zeitgeschehen nicht unbeachtet?

Könnte mit der Verfassung dieser Verszeilen die Hoffnung von Holst auf eine Druckgenehmigung und damit verbunden auf eine Zuteilung aus dem NS-Papierkontingent gewesen sein, vor allem nach der persönlichen Kenntnis eines Aufführungsverbots?

Handelt es sich bei diesen Verszeilen um rassistische menschenverachtende NS-Propaganda oder um eine historische Situationsbeschreibung, in der Art eines Dokumentarberichts, der die damals aktuelle Situation in Versform beschreibt?

War es ein Produkt, mit dem der selbstständige Schriftsteller seinen und den Lebensunterhalt seiner Familie bestreiten musste, ein Produkt, das eine möglichst verkaufsfördernde Wirkung entfalten sollte und sich somit am besten am aktuellen Nachfragebedarf in der Bevölkerung orientierte?

 

3. Punkt - 1939 Dichterwettstreit Gedicht „So oder So“

Als es 1939 Adolf Holst, einem eigenen Zitat zufolge, "wirtschaftlich miserabel" geht, soll er an einem von Goebbels ausgerufenen Dichterwettstreit teilgenommen haben und mit seinem Gedicht "So oder so!" auch einer der Gewinner gewesen sein - siehe dazu Adolf-Holst-Pressespiegel - Zeitungsartikel vom 2.9.2015 - Die im (Propagandastil des 1. Weltkriegs gehaltene Spottdichtung ignoriert bzw. verharmlost vollkommen die Realität des Krieges.)

 In welcher wirtschaftlich miserablen Situation befand sich Holst und seine Familie zu diesem Zeitpunkt (1939)?

 Versprach die Teilnahme am Dichterwettbewerb, auf dessen Hintergrund dieser Text entstanden sein soll, vielleicht ein Preisgeld sowie Anerkennung und dadurch finanzielle Verbesserung der Notlage?

 Wie sind die genaueren Hintergrundinformationen zum Dichterwettstreit – genauer Zeitpunkt, Rahmenbedingungen, Ausschreibungstext für die Teilnahme am Dichterwettstreit, Höhe des Preisgeldes, Platzierung von Holst?

 Wie ist dieser Text heute einzuordnen, den Holst persönlich als „satirischen“ Text in einem handschriftlichen Lebenslauf [vor 1945!] beschreibt?

 Könnte dieser Text damit eventuell auch als doppeldeutig eingeordnet werden und So ... oder so ... interpretiert werden? (– siehe Satire = Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), Spottdichtung, die durch Übertreibung, Ironie und [beißenden] Spott, überspitzte Darstellung Kritik an Personen, Ereignissen, Zuständen und Missständen übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt)

 Welche gesellschafts- und geopolitischen Zusammenhänge und Hintergrundinformationen waren Holst zum damaligen Zeitpunkt bekannt und welche nicht als er diese "satirischen" Zeilen schrieb?

 Hatte Holst hier einfach nur dem Volk und den damaligen Massenmedien aufs Maul geschaut und diese zeitgenössische Wortwahl als Spiegelbild wiedergegeben, vielleicht um seine Chancen beim Dichterwettstreit zu erhöhen?

 Vor welchen Rahmen- und Hintergrundbedingungen entstanden diese Spottzeilen?

 Belegen diese Spottzeilen (sehr wenige bezogen auf das Gesamtwerk von Holst) wirklich die persönlichen Wertevorstellungen und Ideale oder spiegeln sich die persönlichen Einstellungen eher wider im wesentlich größeren und bedeutenderen Anteil seiner anderen Werke?

 Diese kritisch zu betrachtenden und Holst belastenden Verszeilen entsprechen sicherlich zahlreichen anderen damaligen zeitgeschichtlichen Zeugnissen und dem damals verbreiteten kämpferisch-euphorischen Jubel Ton in den Massenmedien. Alleinstehend für sich betrachtet, ohne umfassendes Hintergrundwissen und ohne differenzierte Kontextualisierung, könnten vielleicht gerade diese Verszeilen in der heutigen Zeit auf einige Personen irritierende Wirkung haben und ablehnende Haltungen zu Adolf Holst begründen.

 Nach bisherigen Kenntnisstand hat sich Holst in keiner Weise im üblen oder verbrecherischen Sinne betätigt!

 Menschen, die nur gut und lieb sind und Menschen, die nur schlecht und böse sind gibt es sicherlich nur im Märchen, in der Werbung sowie in der Propaganda aber ganz sicherlich nicht im wahren Leben.

 Die gelegentlich von Holst in seinen Versen verwendeten polarisierenden Beschreibungen und Darstellungen, die verwendeten Stereotypen, waren in Publikationen seiner Zeit sicherlich durchaus üblich.

 Für die Einordnung dieser einzelnen aber aus aktueller Sicht belastenden Verszeilen ist noch genauer zu klären und aufzuzeigen - wann, wie und vor welchem Hintergrund sowie vor allem unter welchen Rahmenbedingungen diese Texte entstanden sind.

Trotz einiger anders lautender Darstellungen sowie einiger weniger aber objektiv vorliegender Indizien, die Holst und sein Werk kritisch erscheinen lassen (siehe z.B. Adolf-Holst-Pressespiegel usw.), lassen bisherige Recherchen wahrscheinlich eher darauf schließen –

Adolf Holst war mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in der NS-Zeit kein aktiver Widerstandskämpfer aber ganz gewiss auch kein rassistischer und bewusst menschenverachtender Nationalsozialist.

Die bisherigen Recherchen führen im Moment eher zu folgender Schlussfolgerung –

Adolf Holst hat sich, wie die große Masse seiner Zeitgenossen, sehr wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht opportunistisch verhalten. Damit verfolgte bzw. erlag Holst, wie viele andere seiner Zeitgenossen, den psychologischen Verhaltensmustern der Verdrängung und Anpassung sowie dem psychologischen Phänomen des Gruppenzwangs in einer Gesellschaft.

 

eventuell entlastende und noch genauer zu untersuchende Punkte zu Holst und seinem Werk in der NS-Zeit:

1. Punkt - Zu Holst und seinen Werken wurden von Nationalsozialisten zahlreiche abwertende, negativ kritische Einordnungen, Stellungnahmen und Gutachten verfasst, die teilweise bis in die heutige Zeit nachwirken - (siehe mehrere Seiten im Buch "Adolf Holst - Bilderbücher-Reimgeschichten")

 

2. Punkt - Für Werke von Holst gab es Aufführungsverbote - zum Beispiel belegt durch eine Zensurstelle die 1936 eine Aufführung des "Hans Wundersam" unterband - (Verleger Arwed Strauch an Holst - siehe Niedersächsisches Landesarchiv Bückeburg - NLA BU D19, Nr. 442)

 

3. Punkt - Trotz zahlreicher intensiver Recherchen konnten bisher keine antisemitischen Texte und Verszeilen von Holst gefunden werden.
Allein diese Tatsache der fehlenden antisemitischen Texte und Verszeilen ist sehr beachtlich, in einer Zeit des verordneten und öffentlich ausgelebten Antisemitismus (1933-1945).

Diese Tatsache wurde von mehreren wissenschaftlichen Autoren bestätigt, die am Buch "Adolf Holst - Bilderbücher-Reimgeschichten" als Autoren mitwirkten. Insgesamt brachten 17 Autoren ihre fachliche und sachkundige Expertise in dieses Buch ein - 6 Autoren mit Prof. Titel, 7 Autoren mit Dr. Titel, und 4 weitere fach- und sachkundige Autoren

 

4. Punkt - Nach dem Tod von Adolf Holst im Jahr 1945 erschien erstmals 1948 sein Buch "Gerngroß", eine Gemeinschaftsproduktion mit der Illustratorin Gertrud Caspari. Das Buch erschien als eine Gemeinschaftsproduktion vom Hahn Verlag in Leipzig und dem Verlag für antifaschistische Literatur und Kinderbücher in Zwickau.
Mit diesem Buch brachte Holst nachweislich den Begriff "Gerngroß" erstmals in die Kinderliteratur ein.

 War das Buch eine versteckte Parodie im übertragenen Sinne auf Adolf Hitler und das "Großdeutsche Reich"?

 

5. Punkt - Im Oktober 1933 wurde von einigen Schriftstellern und Dichtern der damaligen Zeit das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler abgelegt. Von Adolf Holst ist ein derartiges Gelöbnis bisher nicht bekannt.

 

6. Punkt - Einzelne Fragmente im schriftlichen Nachlass von Adolf Holst und genauere Analysen seiner Werke (z.B. "Das Herz in der Hose und anderes Kuriose" von 1939) lassen neben einem offiziell vertretenen und sichtbaren Standpunkt, auch einen nicht offiziellen, privaten Standpunkt von Adolf Holst zum Nationalsozialismus, mit einer satirischen Grundeinstellung erkennen. Neben einzelnen objektiv sichtbaren Belegen und offiziellen Schreiben siehe dazu private Schreiben z.B. Brief und Postkarte von Adolf Holst an Dr. W. Zeruhn von November 1939 - Zitate aus dem Brief: ... "da es mir zurzeit wirtschaftlich miserabel geht" ... "Was hat Goebbels wiederholt proklamiert: 'Kein deutscher Dichter ... soll heutzutage mehr Not leiden! Auch für ihr Alter soll gesorgt werden.' Na denn Prost! Trotzdem: Humor nicht verlieren! Es lebe die Kunst! ...". Darunter - wie auch auf der Postkarte - drei fröhlich tanzende Strichmännchen aus Tintenflecken und das Motto "Uns kann keena -!!"

 

unklarer und deshalb eventuell entlastender 7. Punkt - Im Bundesarchiv in Berlin befinden sich einige von Adolf Holst persönlich ausgefüllte Formulare. Ein Aufnahmeantrag an den Reichsverband Deutscher Schriftsteller mit dem dazugehörigen Fragebogen, mit Datum vom 7. Dezember 1933, enthält einige Informationen zu seinen Werken, über die Zusammenarbeit mit Zeitungen bzw. Zeitschriften sowie über die "zwei Bürgen, die erschöpfende Auskunft geben können" a.) bezüglich politischer Einstellung und b.) bezüglich schriftstellerischer Tätigkeit.
Neben diesen Informationen enthalten die Formulare zum Antrag auch Hinweise über die unterschiedlichen Parteizugehörigkeiten von Adolf Holst. Wie in diesem Fragebogen unter Punkt 7) von Adolf Holst selbst angegeben wurde, war er bis 1933 Mitglied der 1918 gegründeten Deutschen Volkspartei (DVP), die eine nationalliberale Partei der Weimarer Republik war und mit ihrer Gründung 1918 die Nachfolge der Nationalliberalen Partei angetreten hatte. 1933 wurde die Partei aufgelöst. Einige Politiker der DVP beteiligten sich nach dem 2. Weltkrieg an der Gründung der FDP und der CDU.
Ebenso wie aus zahlreichen anderen Parteien wechselten auch zahlreiche Mitglieder und Politiker nach den Wahlen im März 1933, aus den Reihen der DVP während und nach der Auflösungsphase der DVP, zur NSDAP.
Von Adolf Holst wurde unter Punkt 6) im Formular die Mitgliedschaft in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ab April 1933 angegeben (Adolf Holst ist 66 Jahre).

 Stehen diese von Adolf Holst selbst handschriftlich ausgefüllten Fragebögen der Reichsschrifttumskammer im Widerspruch zur NSDAP-Gaukarteikarte von Adolf Holst?

In der NSDAP-Graukarteikarte ist als Eintrittsdatum der 1.5.1933 und als Mitglieds-Nr. 2.475.964 vermerkt - siehe dazu Frist für die Mitglieder-Aufnahmesperre der NSDAP mit Wirkung zum 1.5. 1933.

Mit der NSDAP-Mitglieds-Nr. 2.475.964 und mit dem Eintrittsdatum 1.5.1933 war Adolf Holst eindeutig kein „Alter Kämpfer“. „Alter Kämpfer“ war eine im Oktober 1933 eingeführte Bezeichnung für Mitglieder der NSDAP aus der „Kampfzeit“ vor der Machtergreifung im Januar 1933, die eine Mitgliedsnummer unter 300.000 führten.

Nach den Wahlen im März 1933 gab es massive Austritte in fast allen Parteien und massive Eintritte in die NSDAP. Da dieser massive Ansturm auf die NSDAP-Mitgliedschaft mit der Zeit von der NSDAP-Führung kritisch gesehen wurde galt ab 1.5.1933 eine Mitglieder-Aufnahmesperre.

Von „alten“ NSDAP-Mitgliedern der "ersten Stunde", die bereits vor Januar 1933 bzw. vor den Wahlen im März 1933 in der NSDAP waren, wurden NSDAP-Mitglieder wie Adolf Holst, die nach den Wahlen vom März 1933 bis zur Mitglieder-Aufnahmesperre (1.5.1933) in die NSDAP eintraten, abwertend und spöttisch als "Märzgefallene" bezeichnet. 

Quellen:

- F. A. Brockhaus: Der Neue Brockhaus. Allbuch in vier Bänden und einem Atlas, Band 1, S. 70, Leipzig 1938

- Begünstigungen für alte Kämpfer. In: Kleine Volks-Zeitung, 28. Dezember 1938, S. 14

Was ist über die DVP-Auflösung im Rahmen der Gleichschaltung in Bückeburg bekannt?

 Wie entwickelte sich die Zahl der NSDAP-Parteimitglieder 1933?

 Von wie vielen DVP-Mitgliedern in Bückeburg gingen wie viele DVP-Mitglieder dieser Gruppe in die NSDAP?

 Wie war das damals mit der historisch-soziologischen Gruppendynamik in der Gesellschaft?

 Wie ist das gesellschaftliche Phänomen "Wende und Wendehälse", z.B. 1933, 1945, 1990, ..., einzuordnen?

 Warum wurde Adolf Holst NSDAP-Mitglied? - siehe dazu auch das Preisausschreiben von 1934: Warum sind Sie in der NSDAP?

Adolf Holst hatte während der NS-Zeit kein Amt und keine Stellung erhalten aber vor allem hatte er kein Amt und keine Stellung ausschließlich auf Grund seiner Zugehörigkeit zur NSDAP erhalten.

 

unklarer und deshalb eventuell entlastender 8. Punkt - In den Unterlagen im Bundesarchiv in Berlin gibt es ein Schreiben mit dem Datum vom 1. August 1940 an die Schillerstiftung in der Reichsschrifttumskammer in Weimar. Absenderangaben des Schreibens sind nur wie folgt - Leiter der Abteilung IV, gez. Metzner - eventuell ein Schreiben der Reichsschrifttumskammer in Berlin - weitere Absenderangaben fehlen, da es sich wahrscheinlich nur um eine Abschrift bzw. Kopie eines Schreibens handelt das an die Schillerstiftung nach Weimar gesendet wurde und wahrscheinlich im Original in der Personenakte Adolf Holst (1926 bis 1945) in der Deutschen Schillerstiftung in Weimar zu finden ist. In diesem Schreiben macht der oben genannte Leiter die Aussage - Zitat: "... In neuerer Zeit ist Holst meines Wissens besonders nicht mehr hervorgetreten, ..."

 Könnte es sich bei dieser Aussage um eine Art versteckte Beschwerde über Adolf Holst handeln - sinngemäß und überspitzt – dass er als Schriftsteller zu wenig für Führer, Volk und Vaterland in Erscheinung trat?

 

unklarer und deshalb eventuell entlastender 9. Punkt - Adolf Holst war mit der Pianistin Clara von Cramer verheiratet. Laut überlieferten Aussagen von Cordula Holst, der Tochter von Adolf Holst, sollen im Hause der Familie Holst auch jüdische Kinder ein und ausgegangen sein und von Clara Holst Klavierunterricht erhalten haben, was bisher noch nicht weiter belegt werden konnte.

 

unklarer und deshalb eventuell entlastender 10. Punkt - Adolf Holst hatte eine behinderte Tochter. die in der Behindertenanstalt Bielefeld Bethel, in der Psychiatrie, untergebracht wurde. Diese behinderte Tochter, Ebba Holst, hat den 2. Weltkrieg sowie die Euthanasie im Nationalsozialismus überlebt. Zu den Akten von Ebba Holst gibt es bisher noch keine wissenschaftliche Ausarbeitung.

„Mindestens 250.000 psychisch Kranke und Behinderte fielen dem sogenannten Euthanasieprogramm zum Opfer" - siehe Psychiatrie im Nationalsozialismus

Weiterhin wurde nach bisherigen Kenntnissen keine Zwangssterilisation bei der behinderten Tochter Ebba Holst im Nationalsozialismus durchgeführt. (bis zu 400.000 Zwangssterilisationen im Nationalsozialismus)

Welchen Einfluss hatte die Behinderung der Tochter Ebba Holst, auf das Verhalten Adolf Holsts im Nationalsozialismus?

 Psychiatrie im Nationalsozialismus - wie war damals der Umgang mit psychisch Kranken?

Konnten psychisch kranke Angehörige durch „Pflichterfüllung für Führer, Volk und Vaterland“ vor Zwangssterilisation und Ermordung bewahrt werden?

 

unklarer und deshalb eventuell entlastender 11. Punkt - Durch ein englisches Manuskript der Jüdin Ruth Lilienthal belegt, wurde Folgendes bekannt: Nach der Unterkunft bei Pastor Mensching bis März 1944 und einer relativ kurzen Unterkunft in der Georgstr. 3a in Bückeburg, lebte ab Mitte 1944 bis zum Kriegsende 1945, die junge Jüdin Ruth Lilienthal offiziell unter dem Decknamen Rose Schwendinger in der Hermann Lönsstr. 7 in Bückeburg, im Hause der Familie von Adolf Holst. Ob Adolf Holst von der wahren Identität der jungen Frau wusste oder nicht, ist aus dem Manuskript nicht eindeutig ersichtlich und konnte bisher auch noch nicht anderweitig eindeutig belegt werden.

Als historisches Zeitdokument gibt das englische Manuskript einen sehr guten Einblick in die schwierigen Verhältnisse der damaligen Zeit aus zwei unterschiedlichen Perspektiven in der Bevölkerung im Deutschland der damaligen Zeit. Als Ruth Lilienthal hatte sie einen Einblick in die Welt der "Anderen", "Verfolgten" und als Rose Schwendiger hatte Sie auch einen Einblick in die "deutsche" Erlebniswelt der damaligen Zeit. Im Manuskript sind emotionale Beschreibungen von Situationen voller Hass und Ängste zu finden, Ängste bei den "Anderen" ebenso wie die unterschiedlichen Ängste bei den damaligen "Deutschen", Situationsbeschreibungen größter Verzweiflung aber auch Situationen der Hilfsbereitschaft und liebevollen Zuwendung, Situationen voller Trauer und Freude sowie Hoffnung usw. ...

 Ob mit oder ohne Holsts Wissen – Was wäre gewesen, falls diese Tatsache zur damaligen Zeit bekannt geworden wäre?

 Wäre Holst mit seiner gesamten Familie zu diesem Zeitpunkt ins KZ gekommen?

 Wie wären dann heute das Leben und Werk von Adolf Holst einzuordnen?

 

Gegenüberstellung - Holst und andere bekannte Persönlichkeiten

Jahreseinkommen im Nationalsozialismus
Hans Fallada                                            -             Adolf Holst
steigendes Jahreseinkommen                                fallendes Jahreseinkommen
                                                                              schrieb mindestens ab 1939 Bettelbriefe

 

Jahreseinkommen im Nationalsozialismus
Heinz Rühmann                                         -            Adolf Holst
mit Steigerungen Jahreseinkommen                      fallendes Jahreseinkommen

 

Mitgliedschaft in nationalsozialistischer Organisation
Hans und Sophie Scholl                            -            Adolf Holst
mit Führungsposition                                             ohne Führungsposition

 

Mitgliedschaft in nationalsozialistischer Organisation
Claus Schenk, Graf von Staufenberg        -         Adolf Holst
mit Führungsposition                                           ohne Führungsposition

 

Thomas Mann, Martin Luther                    -         Adolf holst
mit antisemitischen Texten                                   ohne antisemitsche Texte

 

Fazit: Falls Adolf Holst am 4. Januar 1945 nicht gestorben wäre und als NSDAP-Mitglied ein Entnazifizierungsverfahren hätte über sich ergehen lassen müssen, so dürfte er aus den hier aufgeführten Gründen nicht als „Nutznießer“ und damit nicht als „Belasteter“ gelten, vor allem nach der am 12. Oktober 1946 vom Alliierten Kontrollrat erlassenen Kontrollratsdirektive Nr. 38 zur Entnazifizierung. Laut ihrem Titel betraf diese Direktive die „Verhaftung und Bestrafung von Kriegsverbrechern, Nationalsozialisten und Militaristen und die Internierung, Kontrolle und Überwachung von möglicherweise gefährlichen Deutschen“

War Holst ein Profiteur bzw. „Nutznießer“ im Nationalsozialismus und ist damit als „Belasteter“ einzuordnen?

 Quellen und Hinweise zum allgemeinen Verständnis:

- Clemens Vollnhals (Hrsg.): Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945–1949. München 1991, ISBN 3-423-02962-5.

- siehe zahlreiche weiterführende Beiträge zum Leben in einer Diktatur wie z.B. Das Individuum in der Diktatur - Anpassung als evolutionäre Notwendigkeit und Überlebensstrategie in der Diktatur - dieser Beitrag bezieht sich zwar auf DDR-Zeiten zeigt aber auch verblüffende Parallelen zur Zeit im Nationalsozialismus.

 - siehe - www.zukunft-braucht-erinnerung.de - unter anderem ausgezeichnet vom Bündnis für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt

- siehe Thema - künstlerischer Opportunismus im Nationalsozialismus

 

Wie ist Ihre Meinung zum Thema - "Adolf Holst im Nationalsozialismus"?

Haben Sie Hinweise oder Fragen dazu?

Schreiben Sie uns bitte oder sprechen Sie uns persönlich an!

Wir sind offen für eine sachlich-differenzierte und gemeinsam weiterführende Diskussion zum Thema "Adolf Holst" sowie speziell zum Thema "Adolf Holst im Nationalsozialismus".

                                                                                                                                                      

Heimatverein Branderoda e. V.                                                                                                   

06632 Mücheln OT Branderoda                                                                                                   

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